Stephenson 1 in der Leier

Der offene Sternhaufen Stephenson 1 im Sternbild Leier ist auch als "Delta Lyrae Cluster" bekannt. Der amerikanische Astronom Charles B. Stephenson vermutet bereits im Jahr 1959, dass es sich bei der Sterngruppe um den farbenfrohen optischen Doppelstern Delta 1 & 2 Lyrae um einen echten Sternhaufen handelte. Als Entdecker gilt aber der damals 27-jährige Astronom Gordon Grant, der die Sterngruppe im Rahmen einer Studie untersuchte und kurz nach der Entdeckung des Sternhaufens, im Jahr 1958, Selbstmord beging. Spätere Untersuchungen aufgrund von photometrischen Beobachtungen zeigten, dass es sich bei Steph 1 tatsächlich um einen echten Sternhaufen handelt.

Stephenson 1 ist ein lockerer und unscheinbarer Sternhaufen, der sich um den 7,3 Sonnenmassen schweren und 23.000 Sonnenleuchtkräften hellen veränderlichen M4 Riesen Delta 2 Lyrae (4,22 mag) konzentriert. Dieser Stern ist allerdings kein Mitglied des Sternhaufens und befindet sich "nur" 900 Lichtjahre von der Erde entfernt im Vordergrund. Der zweite helle Stern im Feld, Delta 1 Lyrae (5,56 mag), ist ein heißer und junger Hauptreihenstern der Spektralklasse B2.5 mit 838 Sonnenleuchtkräfte und einem Radius, der dem 7,9-fachen der Sonne entspricht. Er befindet sich 1.100 Lichtjahre von uns entfernt und gehört wahrscheinlich ebenfalls nicht zum Sternhaufen. Dagegen besitzt Steph 1 eine scheinbare Helligkeit von 3,8 mag und eine scheinbare Größe von 20 Bogenminuten am Himmel. Er enthält 77 Mitgliedssterne in 1.220 Lichtjahren Entfernung. Auf die Entfernung gerechnet, beträgt sein wahrer Durchmesser ungefähr 38 Lichtjahre. Sein Alter wird auf 49 Millionen Jahren und seine Masse auf 589 Sonnenmassen geschätzt. Das hellste Mitglied des Haufens besitzt eine Helligkeit von 4,3 mag. Aufgrund seiner Bewegungsrichtung und seiner Entfernung im Raum, wird der Sternhaufen mit dem Gouldschen Gürtel assoziiert. Dabei handelt es sich um einen Ring aus Sternen mit mehr als 2.000 Lichtjahren Ausdehnung, der sehr viele junge O und B Sterne sowie zahlreiche Sternentstehungsgebiete enthält. Dieser Region der Milchstraße ist gleichzusetzen mit dem lokalen Spiralarm, in dem sich auch unsere Sonne befindet. Unser Heimatstern ist aber kein Mitglied des Gouldschen Gürtel.

Steph 1 ist bereits in jedem Fernglas als lockere Sterngruppe erkennbar. Kleinere Teleskope von 3 bis 4 Zoll Öffnung sind prädestiniert, weil auch mit größerer Öffnung nicht mehr Sterne zu erkennen sind. Mit größerer Öffnung verliert Steph 1 seinen Haufencharakter, weil der Sternhaufen nur eine geringe Konzentration zum Zentrum aufweist und die Mitgliedssterne locker verteilt sind. Am besten beobachtet man mit geringer Vergrößerung bis 80-fach. Mit 6 bis 8 Zoll Öffnung sind rund zwei Dutzend Sterne der 5. bis 10. Größenklasse erkennbar, die sich auf einer Fläche von der ungefähren Größe des Vollmondes konzentrieren und eher zufällig verteilt erscheinen. Man erkennt zunächst zwei helle Sterne in einem hübschen Farbkontrast, wobei der eine bläuliche und der Andere eine orange Färbung aufweist, die von einem Schimmer schwächerer Sterne umgeben sind. Allerdings konzentrieren sich die schwächeren Mitglieder des Haufens bei Delta 2 Lyr. Einige Sterne sind in Ketten von maximal 3 bis 4 Mitglieder angeordnet. Daneben gibt es mehr oder weniger große Lücken. Eine Haufenzentrum oder weitere unaufgelöste Sterne sind nicht wahrnehmbar.

Der Sternhaufen ist einfach aufzufinden, befindet er sich doch an der rechten oberen Ecke des Leier Parallelogramms. Selbst im Sucherteleskop ist der Haufen bereits in einzelne Sterne aufgelöst.

Stephenson 1 ist am besten in den Sommermonaten und im Frühherbst beobachtbar, wenn das Sternbild Leier hoch am Himmel steht. Mitte Juni steht der Sternhaufen um 1:30 Uhr Sommerzeit im Meridian und in einer Höhe von 75 Grad über dem Südhorizont.