Objekte des Monats: Der Blaue Schneeball NGC 7662

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Der Pla­ne­ta­ri­sche Nebel NGC 7662 im Stern­bild Andro­me­da wur­de am 6. Okto­ber 1784 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Wil­helm Her­schel ent­deckt und von ihm als sol­cher auch klas­si­fi­ziert. Er beschrieb NGC 7662 als hel­le, run­de und als pla­ne­ta­risch gut defi­nier­te Schei­be. Die blau-grü­ne Far­be wur­de wahr­schein­lich zum ers­ten Mal von Her­schels Sohn John bemerkt. Der vor allem unter Ama­teur­as­tro­no­men bekann­te Eigen­na­me Blau­er Schnee­ball (Blue Snow­ball) stammt von dem US ame­ri­ka­ni­schen Ama­teur­as­tro­no­men und Sci­ence-Fic­tion Autor Leland S. Cope­land, der lan­ge Zeit als Redak­teur für das ame­ri­ka­ni­sche Astro­no­mie­ma­ga­zin Sky & Telescope geschrie­ben hat. Er bemerk­te in der 1960 erschie­ne­nen Febru­ar-Aus­ga­be die­ser Zeit­schrift, dass NGC 7662 im Tele­skop einem blau­en Schnee­ball ähn­lich sieht. Neben­bei ist NGC 7662 in Sir Patrick Moo­res Kata­log auch als Cald­well 22 gelistet.

Ein oft übersehener heller Planetarischer Nebel

NGC7662
Der „Blaue Schnee­ball“ NGC 7662 – Auf­nah­me von Johan­nes Sched­ler, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

NGC 7662 gilt als einer der hells­ten und schöns­ten Pla­ne­ta­ri­schen Nebel des Herbst­him­mels und befin­det sich unge­fähr 1.800 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt. Das Objekt besitzt einen schein­ba­ren Durch­mes­ser von 1,0 x 0,7 Bogen­mi­nu­ten, was einer wah­ren Aus­deh­nung von 20.000 Astro­no­mi­schen Ein­hei­ten (AE) ent­spricht. Weil die Ent­fer­nungs­an­ga­ben von Pla­ne­ta­ri­schen Nebeln immer mit Unsi­cher­hei­ten behaf­tet sind, geben ande­re Quel­len sogar 5.600 Licht­jah­re als Abstand zur Erde an. Das wür­de dann einem abso­lu­ten Durch­mes­ser der Nebel­hül­le von mehr 50.000 AE bzw. 0,8 Licht­jah­ren ent­spre­chen. Mit einer schein­ba­ren Hel­lig­keit von 8,3 mag ist NGC 7662 bereits in einem 7x50 Feld­ste­cher als bläu­li­ches Stern­chen sicht­bar. Pla­ne­ta­ri­sche Nebel ent­ste­hen, wenn ein roter Rie­sen­stern am Ende sei­nes Lebens sei­ne äuße­ren Schich­ten abstößt. Die­se wer­den dann von dem übrig geblie­be­nen zen­tra­len wei­ßen Zwerg­stern beleuch­tet. Typi­scher­wei­se dau­ert die­se Pha­se, wo ein Pla­ne­ta­ri­scher Nebel am Him­mel sicht­bar ist, nur ein paar zehn­tau­send Jah­re, bevor sich das Mate­ri­al zu weit in den Raum hin­aus aus­ge­dehnt und ver­dünnt hat. Auch NGC 7662 besitzt einen Zen­tral­stern (HD 220733). Die­ser schwankt unre­gel­mä­ßig zwi­schen 12,5 und 16 Grö­ßen­klas­sen und hat eine Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von 75.000 Kel­vin. Durch sei­ne ener­gie­rei­che Ultra­vio­lett­strah­lung regt der Wei­ße Zwerg die Nebel­hül­le von NGC 7662 zum Leuch­ten an. Das typi­sche bläu­lich-grü­ne Leuch­ten stammt vom zwei­fach ioni­sier­ten Sau­er­stoff (O‑III) bei einer Wel­len­län­ge von 500,7 und 495,9 Nanometern.

Strukturen in der Hülle von NGC 7662

Auf­nah­men des Blau­en Schnee­balls zei­gen zahl­rei­che Struk­tu­ren in der Nebel­hül­le, die bereits in klei­ne­ren bis mitt­le­ren Ama­teur­te­le­sko­pen sicht­bar sind. Die visu­ell deut­lich sicht­ba­re Hül­le wur­de wäh­rend des frü­hen Rote-Rie­sen-Sta­di­um vom Zen­tral­sterns in ver­schie­de­nen Akti­vi­täts­pha­sen aus­ge­sto­ßen. Des Wei­te­ren besitzt NGC 7662 noch einen 5 Mal so gro­ßen äuße­ren, licht­schwa­chen Halo, der nur auf lang belich­te­ten tie­fen Auf­nah­men in Erschei­nung tritt. Die­se Nebel­hül­le wur­de von dem Zen­tral­stern Jahr­tau­sen­de vor der inne­ren Nebel­hül­le abge­sto­ßen. Der auf­fäl­ligs­te Teil der Scha­le ist die in mitt­le­ren Tele­sko­pen gut sicht­ba­re, an ihren Außen­rän­dern leicht huf­ei­sen­för­mi­ge inne­re Nebel­b­la­se. Die­se erscheint auf Fotos im inne­ren Bereich blau bis vio­lett. Die Far­be stammt vom ioni­sier­ten Helium. 

Hubble - NGC 7662
Der „Blaue Schnee­ball“ in einer Auf­nah­me des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops – Cre­dit: Judy Schmidt, CC BY 2.0, via Wiki­me­dia Commons

Auf hoch­auf­ge­lös­ten Fotos des Blau­en Schnee­balls sind noch röt­li­che Antei­le wahr­nehm­bar. Die­se stam­men vom ioni­sier­ten Stick­stoff und wur­den in jün­ge­rer Zeit vom Zen­tral­stern abge­sto­ßen. Die­se bewe­gen sich, gegen­über der übri­gen Hül­le, sehr schnell vom Zen­tral­stern fort und wer­den im Fach­jar­gon als FLIER („fast low-ioniza­ti­on emis­si­on regi­ons“) bezeich­net. Die­se Gebil­de wur­de unter ande­rem auch im Helix­ne­bel (NGC 7293) im Stern­bild Was­ser­mann nach­ge­wie­sen. Die Hül­le sel­ber dehnt sich mit einer Geschwin­dig­keit von 26 km/s in den inter­stel­la­ren Raum aus. Mit Hil­fe des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops fand man her­aus, dass der Pla­ne­ta­ri­sche Nebel einem ver­län­ger­ten Ellip­so­iden gleicht, des­sen Spit­zen abge­run­det sind. Die Hül­le ist 45° zu unse­rer Sicht­li­nie geneigt, wobei sich die nörd­li­che Spit­ze des Ellip­so­iden auf uns zu bewegt.

Beobachtung

Der Blaue Schnee­ball ist auf­grund sei­ner hohen Flä­chen­hel­lig­keit auch aus dem Stadt­ge­biet her­aus gut zu sehen und erlaubt auch für mit­tel­gro­ße Tele­sko­pe eine hohe Ver­grö­ße­rung. Die­ses Objekt ist ein gutes Bei­spiel dafür, wie die Ober­gren­ze für eine sinn­vol­le Ver­grö­ße­rung von der Bild­hel­lig­keit abhängt. Ein klei­ner Refrak­tor von 3 Zoll Öff­nung zeigt zwi­schen 50 bis 100-facher Ver­grö­ße­rung nur eine hel­le, klei­ne, ova­le Schei­be, die in einer bläu­lich-grü­nen Far­be leuch­tet und in nord­öst­li­cher-süd­west­li­cher Rich­tung ori­en­tiert ist. Ab 4 Zoll Öff­nung und 150-facher Ver­grö­ße­rung erkennt man schon eine leicht dif­fu­se Ring­struk­tur. Der inne­re Bereich des Nebels ist dabei leicht dunk­ler, mit einer ring­för­mig aus­ge­präg­ten Außen­kan­te. Ab 5 bis 6 Zoll Öff­nung und sehr hoher Ver­grö­ße­rung um 300-fach erscheint die Nebel­schei­be deut­lich oval und der Ring rela­tiv breit. Mit 8 bis 10 Zoll erkennt man die auf Fotos typi­sche Ring­struk­tur. Mit sehr hoher Ver­grö­ße­rung sieht man, dass der west­li­che Teil des Rings etwas hel­ler erscheint. Der nörd­li­che Teil erscheint ein­ge­beult und das Zen­tral­ge­biet deut­lich dunk­ler. Umge­ben wird der Ring von einem schwä­che­ren, ova­len und frag­men­tier­ten Halo, der indi­rek­tes Sehen erfor­dert. Die Ver­wen­dung eines O‑III-Fil­ters bringt hier kei­ne Ver­bes­se­rung der Sicht­bar­keit der Nebel­struk­tu­ren. Ab einer Öff­nung von 16 Zoll erschei­nen dann vie­le Hel­lig­keits­va­ria­tio­nen in der Nebel­hül­le und im Inne­ren ein huf­ei­sen­för­mi­ger hel­ler Ring, der nach Nord­wes­ten hin geöff­net zu sein scheint und auch im Süd­os­ten eine schwa­che Tei­lung besitzt. Ein O‑III-Fil­ter hilft dabei, die Struk­tu­ren kon­trast­rei­cher erschei­nen zu las­sen. Der 12,5 mag hel­le Zen­tral­stern bleibt, auf­grund der gro­ßen Flä­chen­hel­lig­keit der Nebel­hül­le, auch mit die­ser Öff­nung lei­der unsichtbar.

Aufsuchkarte NGC 7662
Auf­such­kar­te für den NGC 7662 – erstellt mit SkytechX

Die bes­te Zeit, den Blau­en Schnee­ball zu beob­ach­ten, sind die dunk­len Herbst- und Win­ter­näch­te, wenn das Stern­bild Andro­me­da hoch an unse­rem Him­mel steht. Um NGC 7662 auf­zu­fin­den, geht man am bes­ten von den Ster­nen Lamb­da (3,7 mag), Kap­pa (4,2 mag) und Iota Andro­me­dae (4,3 mag) aus, die ein mit dem blo­ßen Auge sicht­ba­res ein­präg­sa­mes Stern­mus­ter bil­den. Man stellt nun Lamb­da And in die Sucher­mit­te ein. Knapp 3° west­lich die­ses Sterns steht ein wei­ter Stern der 6. Grö­ßen­klas­se mit der Bezeich­nung 13 And. NGC 7662 befin­det sich als bläu­li­ches Stern­chen nur 26 Bogen­mi­nu­ten süd­west­lich die­ses Sterns.

Auf­such­kar­te Blau­er Schnee­ball (NGC 7662) (148,4 KiB, 296 hits)

Steckbrief für NGC 7662

Objekt­na­meNGC 7662
Kata­log­be­zeich­nungPK 106–17.1, PN G106.5–17.6, IRAS 23234+4215, ARO 20, VV 285, Cald­well 22
Eigen­na­meBlau­er Schnee­ball, Blue Snowball
TypPla­ne­ta­ri­scher Nebel, PN 4(3)
Stern­bildAndro­me­da (Andro­me­da)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)23h 25m 53,9s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+42° 32′ 08″
V Hel­lig­keit8,3 mag
Flä­chen­hel­lig­keit5,6 mag
Win­kel­aus­deh­nung17,0″ x 14,0″
Hel­lig­keit Zentralstern13,2 mag
Expan­si­ons­ge­schwin­dig­keit27,5 km/s
Durch­mes­ser0,4 Licht­jah­re
Ent­fer­nung1.800 Licht­jah­re
Beschrei­bung!!! Pla­ne­ta­ry or annu­lar neb,vB,pS,R,blue
Notes: Blue Snow­ball Nebula;H IV 18;Barnard-cent * variable? 
Ent­de­ckerWil­helm Her­schel, 1784
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 2 & 7
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 16
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 1119–1120 (Vol III)
Pocket Sky Atlas: Chart 72
Sky Atlas 2000: Chart 9
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 30

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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