Eine Nacht auf Tivoli

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Die Beob­ach­tung des Ster­nen­him­mels an dunk­len Stand­or­ten, fern jeder Licht­ver­schmut­zung, ist immer etwas ganz beson­de­res und für den Stadt­mensch, ein unbe­schreib­li­ches Erleb­nis. Einen natür­lich dunk­len Him­mel zu erle­ben ist in Mit­tel­eu­ro­pa und in ande­ren dicht besie­del­ten Gebie­ten auf der Welt kaum noch mög­lich. Eine Aus­nah­me sind aus­ge­wie­se­nen Ster­nen­parks, wo dar­auf geach­tet wird, dass so wenig Licht wie mög­lich in Rich­tung Him­mel emit­tiert wird.

Nacht­him­mel­pan­ora­ma Astro­farm Kiri­po­tib, Nami­bia (Foto: André Win­zer, Süd­bran­den­bur­ger Stern­freun­de, Mai 2017)

Mit einer Ein­woh­ner­zahl von 2,3 Mil­lio­nen und einer Flä­che von 824.116 km² gehört Nami­bia, im Süden Afri­kas, zu den am dünns­ten besie­del­ten Fle­cken der Erde. Aber natür­lich gibt es auch dort etwas dich­ter besie­del­te Gebie­te mit Licht­ver­schmut­zung. So ist eine Beob­ach­tung des Ster­nen­him­mels aus dem Stadt­ge­biet von Wind­hoek aus kaum mög­lich. Auch die grö­ße­ren Städ­te an der Atlan­tik­küs­te gehen mit Licht rela­tiv sorg­los um. Das bes­te Bei­spiel ist Swa­kop­mund, des­sen Stra­ßen in der Nacht mit hel­len Later­nen gesäumt sind. So ist auch die Beob­ach­tung und die Foto­gra­fie des Stern­him­mels dort recht schwie­rig und eher nicht zu emp­feh­len – abge­se­hen vom Nebel, der in den Abend­stun­den vom Meer kom­mend, die Küs­ten­ge­bie­te heimsucht.

Atmo­sphä­ri­sche Wol­ken ver­de­cken die süd­li­che Milchstraße

Auf der Astro­farm Tivo­li hat man die­se Pro­ble­me natür­lich nicht, obwohl es auch dort eini­ge Stern­freun­de gibt, die bes­se­ren Wis­sens mit Weiß­licht recht unbe­darft han­tie­ren. Eine klei­ne Lich­ter­glo­cke erkennt man nur in Rich­tung Nord­wes­ten, wo sich die 160 km ent­fern­te Haupt­stadt Wind­hoek befin­det. Ansons­ten sieht man ab und zu mal ein­zel­ne klei­ne­re ent­fern­te Licht­ke­gel durch die Nacht zucken zum Zwe­cke der Jagd auf Spring­bö­cke. Vor schlech­tem Wet­ter ist man aber auch auf einer Astro­farm nicht gefeit. So konn­te eine Grup­pe von Ster­nen­freun­den, die zur Neu­mond­pha­se im April 2018 die Gäs­te­farm besuch­ten, kei­ne ein­zi­ge Nacht nut­zen, weil jede Nacht wol­ken­ver­han­gen war oder es sogar reg­ne­te. Auch wir hat­ten bei unse­rem dies­jäh­ri­gen Auf­ent­halt vor allem in der 1. Nacht eini­ge durch­zie­hen­de Wol­ken­fel­der, die sich aber nach rund einer Stun­de schnell ver­zo­gen haben. Und am letz­ten Abend konn­ten wir auf­grund des fast voll­stän­dig bedeck­ten Him­mels, erst nach 22 Uhr beob­ach­ten. Die tro­po­sphä­ri­schen Wol­ken, die in jenen Näch­ten die Beob­ach­tung stö­ren, sehen für mit­tel­eu­ro­päi­sche Stern­freun­de etwas anders aus als gewohnt. Denn auf­grund der feh­len­den Licht­ver­schmut­zung, erschei­nen die Wol­ken wie dunk­le Vor­hän­ge vor dem Him­mels­hin­ter­grund. Es schaut fast so aus, als ob an der Stel­le des Him­mels kei­ner­lei Ster­ne vor­han­den sind. Unter Umstän­den kön­nen die­se Wol­ken mit Dun­kel­wol­ken der Milch­stra­ße ver­wech­selt wer­den, da die­se annä­hernd die glei­che Opa­zi­tät besit­zen. Die­sen Umstand fand nicht nur ich über­aus erstaunlich.

Das Abend­zo­dia­kal­licht und die Wintermilchstraße

Auf­grund der stei­len Eklip­tik­la­ge am süd­li­chen Wen­de­kreis des Stein­bocks (-23,5° süd­li­che Brei­te), ist in einer kla­ren und dunk­len Nacht das Zodia­kal­licht sicht­bar, das von Mit­tel­eu­ro­pa aus nur bei sehr guten Bedin­gun­gen über­haupt wahr­ge­nom­men wer­den kann. In der 1. Nacht­hälf­te sticht im Mai vor allem das Abend­zo­di­kal­licht ins Auge, das unge­fähr die Hel­lig­keit der Win­ter­milch­stra­ße besitzt. Im Ver­gleich zum Mor­gen­zo­di­kal­licht ist es deut­lich schwä­cher im Mai aus­ge­prägt. Auf­merk­sa­me Beob­ach­ter bemer­ken, dass sich gegen 3 Uhr mor­gens zuerst ein schwä­che­rer Schein in Rich­tung Osten bemerk­bar macht, der schnell an Hel­lig­keit gewinnt, und kurz nach 4 Uhr sich zu einem brei­ten und spit­zen Kegel aus­baut. Die­ser reich­te fast bis zum Zenit. Neben dem Zodia­kal­licht, kann bei genaue­rem Hin­se­hen auch die Zodi­ka­licht­brü­cke durch den Zenit hin­durch ver­folgt wer­den. Die­se reicht fast bis zum Band der Milch­stra­ße bzw. ver­schmilzt mit die­sem. Auch der Gegen­schein ist bei den guten Bedin­gun­gen auf Tivo­li über­ra­schend ein­fach zu erken­nen. Das Phä­no­men ent­steht übri­gens durch Streu­ung und Refle­xi­on von Son­nen­licht an Staub­teil­chen ent­lang der Ebe­ne unse­res Son­nen­sys­tems. Das Zodia­kal­licht ist in Nami­bia so der­ma­ßen hell, dass es sogar die Beob­ach­tung licht­schwä­che­rer Deep-Sky-Objek­te in der Eklip­tik­re­gi­on beeinträchtigt.

Mor­gen­zo­dia­kal­licht auf Tivoli

Auf­grund der stei­len Eklip­tik – die auch der Grund dafür ist, dass die Mor­gen- und Abend­däm­me­rung nur eine Drei­vier­tel­stun­de dau­ert – war wäh­rend unse­res Auf­ent­halt im Mit­te Mai 2018 auch Mer­kur sicht­bar, der inners­te Pla­net unse­res Son­nen­sys­tems. Von mit­tel­eu­ro­päi­schen Brei­ten ist die­ser nur sehr sel­ten kurz nach Son­nen­un­ter­gang bzw. vor Son­nen­auf­gang zu erken­nen. Die bes­te Zeit bei uns sind die Früh­lings­mo­na­te am Abend­him­mel, sowie die Herbst­mo­na­te am Mor­gen­him­mel, wenn bei uns die schein­ba­re Bahn der Son­ne steil über den Hori­zont ragt. Neben dem flin­ken Pla­ne­ten Mer­kur, konn­ten wir auch die Pla­ne­ten Venus, Mars, Jupi­ter und Saturn beob­ach­ten. Lei­der hat­ten wir bei unse­rem Auf­ent­halt auf der Astro­farm nur in einer Nacht wirk­lich gutes See­ing, als wir zahl­rei­che Bän­der und Fle­cken in der Jupi­ter­at­mo­sphä­re ent­de­cken konn­ten. Unser Roter Nach­bar Mars, rund zwei Mona­te vor sei­ner Peri­hel-Oppo­si­ti­on, war dage­gen eine regel­rech­te Ent­täu­schung. Selbst bei sei­nem hohen Stand in der 2. Nacht­hälf­te, konn­ten nur andeu­tungs­wei­se dunk­le Albe­d­o­st­ruk­tu­ren beob­ach­tet wer­den waren. Da war mir der Anblick des Mars in sei­ner Jahr­tau­send Oppo­si­ti­on 2003 deut­lich bes­ser in Erin­ne­rung geblie­ben. Im Gegen­satz zu sei­ner tie­fen Stel­lung in Mit­tel­eu­ro­pa, steht auch der Pla­net Saturn gegen Mit­ter­nacht nahe des Zenits. Der Anblick des Ring­pla­ne­ten war vor allem im 15 Zoll Dobson fas­zi­nie­rend und erin­ner­te an ein gutes Foto.

Der röt­li­che Mars über dem öst­li­chen Horizont

Ein wei­te­rer Stör­fak­tor, vor allem bei Him­mels­auf­nah­men, ist das Nacht­him­mel­leuch­ten (Air­g­low), dass sich vom Hori­zont aus­ge­hend bis in eine Höhe von ca. 20 Grad erstreck­te. Die­se oran­gen bzw. grü­nen Vor­hän­ge, die durch die Rekom­bi­na­ti­on der Luft­mo­le­kü­len mit Elek­tro­nen in der Iono­sphä­re ent­ste­hen, sind schwer aus astro­no­mi­schen Auf­nah­men zu ent­fer­nen. Die­ses Air­g­low war fast in allen Näch­ten mehr oder weni­ger stark aus­ge­prägt. Gleich­zei­tig ist es auch ein Zei­chen für beson­ders dunk­len Him­mel. Denn in Mit­tel­eu­ro­pa wird es oft von den Lich­ter­glo­cken der Städ­te über­strahlt. Nur zwei­mal kann ich mich an Näch­ten mit aus­ge­präg­tem Nacht­him­mel­leuch­ten in Mit­tel­eu­ro­pa erin­nern. Vor allem die Nacht vor der Jupi­ter­be­de­ckung durch den Mond, im Juli 2012 in Süd­bran­den­burg, war geprägt von inten­si­ven Airglow.

Nacht­him­mel­leuch­ten über Tivoli

Tivo­li befin­det sich knapp 12.000 km ent­fernt auf der Süd­halb­ku­gel der Erde. Trotz­dem kön­nen rund 70% der nörd­li­chen Stern­bil­der von Nami­bia aus gese­hen wer­den. Im Mai steht kurz nach Däm­me­rungs­en­de der Gro­ße Wagen dicht über dem Nord­ho­ri­zont auf dem Kopf. Und obwohl die gerin­ge Höhe über dem Hori­zont nicht für eine Sich­tung der bei­den hel­len Gala­xien M 81 & M 82 reicht, steht zumin­dest die Whirl­pool­ga­la­xie M 51 noch genü­gend hoch über dem Hori­zont. Mir wird der Anblick der Gala­xie im Binod­obson wahr­schein­lich für immer in Erin­ne­rung blei­ben. Ihre Spi­ral­ar­me, so wie sie auf Foto­gra­fien erschei­nen, sprin­gen einem förm­lich an. Natür­lich sind auch die gan­zen Gala­xien­fel­der des Früh­lings­him­mel in den Stern­bil­dern Löwe, Jung­frau und Haar der Bere­ni­ke erreichbar.

Der Gro­ße Wagen kopf­über über dem Nordhorizont

In der 2. Nacht­hälf­te steigt auch die nörd­li­che Som­mer­milch­stra­ße im Osten empor, so dass man hier auch mal einen Blick auf M 57 und M 27 wer­fen kann. Und selbst das Som­mer­drei­eck steht hier voll­stän­dig über dem Nord­ost­ho­ri­zont. Man soll­te sich mal die Zeit neh­men, den schöns­ten Kugel­stern­hau­fen des Nord­him­mels M 13 im Stern­bild Her­ku­les mit Ome­ga Cen­tau­ri im Stern­bild Zen­taur zu ver­glei­chen. M 13 kann bei dem Anblick die­ser gigan­ti­schen Ster­nen­ku­gel des Süd­him­mels regel­recht ein­ste­cken. Wei­te­re Kugel­stern­hau­fen ste­hen in den Stern­bil­dern Schüt­ze und Skor­pi­on. Die­se ste­hen in Mit­tel­eu­ro­pa nur weni­ge Grad über dem Hori­zont und wer­den vom Hori­zont­dunst dort mehr oder weni­ger getrübt. In Nami­bia befin­den sich die­se Objek­te bei ihrer Kul­mi­na­ti­on nahe des Zenits und kön­nen somit ihre vol­le Pracht ent­fal­ten. Vie­le Kugel­stern­hau­fen kön­nen vom Anblick her, es mit M 13 auf­neh­men. Im April die­sen Jah­res beob­ach­te­te ich von mei­nem Hei­mat­stand­ort aus eini­ge Gala­xien des Coma Gala­xien­hau­fens im Stern­bild Haar der Bere­ni­ke. Der Anblick die­ser 300 Mil­lio­nen Licht­jah­re ent­fern­ten Gala­xien­an­samm­lung im Binod­obson, wer­de ich eben­falls nicht mehr so schnell ver­ges­sen. Denn bei nied­ri­ger Ver­grö­ße­rung waren gleich ein paar Dut­zend Gala­xien auf engs­tem Raum erkennbar.

Der 24 Zoll Binod­obson in Aktion

Wenn man schon auf der Süd­halb­ku­gel der Erde ist, soll­te man sich auch mal die Mühe machen, die süd­li­chen Stern­bil­der ken­nen­zu­ler­nen. Das Kreuz des Südens soll­te jedem sofort in Auge sprin­gen. Per­sön­lich tat ich mich aber schwer, die Form der Stern­bil­der Schiff, Wolf und Zen­taur am Him­mel nach­zu­voll­zie­hen. Denn die­se Him­mels­re­gi­on ent­hält viel zu viel hel­le Ster­ne. zum Ver­gleich waren die unschein­ba­re­ren Stern­bil­der in ihrer Form deut­lich bes­ser zu erken­nen. Man soll­te auch kei­ne Angst haben, dass man den süd­li­che Him­mels­pol nicht fin­det. Eine gute Ster­nen­kar­te, die man vor­her zu hau­se aus­ge­druckt hat, ist über­aus hilf­reich. Ich hat­te schon bei mei­nem 1. Auf­ent­halt auf Tivo­li im jar 2014 kei­ner­lei Pro­ble­me, die Astro­trac ein­zu­sü­den. Nach ein paar Näch­ten ging das inner­halb weni­ger Minu­ten recht ein­fach von der Hand. Ent­schei­dend für das Erken­nen der Him­mel­pol­re­gi­on im Stern­bild Oktant, mit dem nur 5 mag hel­le Stern Sig­ma Octan­tis (der süd­li­che Polar­stern), ist die Durch­sicht. In den meis­ten Näch­ten ist die­se aller­dings so gut, dass man nach kur­zem Suchen den süd­li­chen Him­mels­pol schnell findet.

Ster­nen­spu­ren über Tivoli

Der Anblick der Milch­stra­ße auf dem Land, fas­zi­niert Jeden in den war­men Som­mer­näch­ten. Wenn man das hel­le Zen­trum der Milch­stra­ße an dunk­len Stand­or­ten mal im Zenit gese­hen hat, fin­det man den Anblick des nörd­li­chen Teils unse­rer Hei­mat­ga­la­xie eher lang­wei­lig. Denn unzäh­li­ge Dun­kel­wol­ken, die alle deut­lich mit blo­ßem Auge zu erken­nen sind, säu­men die so genann­te Bul­ge, den zen­tra­len Teil unse­rer Milch­stra­ße. Links und rechts set­zen sich hel­le­re Ster­nen­wol­ken ab, die eben­falls von lang gezo­ge­nen Dun­kel­wol­ken unter­bro­chen wer­den. Und auch der Teil der Milch­stra­ße in den Stern­bil­dern Segel, Schiffs­kiel und Ach­ter­deck, braucht sich nicht zu ver­ste­cken. Dort gibt es eben­falls unzäh­li­ge hel­le Stern­hau­fen, die zum Beob­ach­ten einladen.

Milch­stra­ße im Zenit

Ein wei­te­res außer­ge­wöhn­li­ches Erleb­nis wäh­rend unse­res Tivo­li­auf­ent­halts war die Stern­schnup­pen­nacht vom 13. auf den 14. Mai. Wäh­rend der Beob­ach­tung konn­ten wir aber­wit­zig vie­le hel­le Meteo­re sich­ten, die alle wie ein Ei dem ande­ren gli­chen. Die Meteo­ro­ide leuch­te­ten für 2 Sekun­den auf und ver­glüh­ten in einer kur­zen Leucht­spur am Him­mel, mit hel­lem stern­för­mi­gen und nahe­zu kreis­run­dem Kopf. Von der Geschwin­dig­keit her waren die Meteo­re eher mit­tel­schnell. Auch zwei Boli­den konn­te wir sich­ten. Bei dem einen in Rich­tung Nord­os­ten, der sogar eine kur­ze Nach­leucht­spur zeig­te, schätz­te ich die Hel­lig­keit auf gut ‑6 mag.

Mete­or­spur ober­halb der Klei­nen Magel­lan­schen Wolke

Lei­der ver­gin­gen die 5 Näch­te auf Tivo­li mal wie­der rasend schnell. Und trotz der zu Beginn feh­len­den Aus­rüs­tung, konn­te ich wie­der vie­le Foto­ein­drü­cke von mei­ner Rei­se mit­brin­gen. Und es war sicher­lich nicht unser letz­ter Auf­ent­halt unter dem süd­li­chen Sternenhimmel…

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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