Objekte des Monats: Die Galaxie NGC 772

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Die Spi­ral­ga­la­xie NGC 772, im nörd­li­chen Stern­bild Wid­der (Aries), wur­de am 29. Novem­ber 1785 von dem deutsch-bri­ti­schen Astro­no­men Fried­rich Wil­helm Her­schel mit sei­nem 18,7 Zoll gro­ßen Spie­gel­te­le­skop ent­deckt. Er beschrieb die Gala­xie als ziem­lich gro­ßen, hel­len und run­den Nebel, mit hel­le­rem Zen­tral­be­reich, der nicht leicht auf­zu­lö­sen sei. Auf­grund ihres unge­wöhn­li­chen Aus­se­hens ist sie auch im 1966 erschie­ne­nen Atlas of Pecu­li­ar Gala­xies von Hal­ton Arp als Arp 78 ver­zeich­net und auch sel­te­ner unter ihrem Eigen­na­men „Fidd­le­head Gala­xy“ bekannt.

Eine ungewöhnliche Galaxie im Sternbild Widder

NGC 772 ist eine 10,3 mag hel­le und 7,4 x 4,9 Bogen­mi­nu­ten gro­ße und recht unge­wöhn­lich erschei­nen­de Spi­ral­ga­la­xie vom Hub­ble-Typ Sb, die sich in einer Ent­fer­nung von 114 Mil­lio­nen Licht­jah­ren zur Erde befin­det. Gleich­zei­tig ist sie die hells­te Gala­xie im Stern­bild des Wid­der. Mit einem Durch­mes­ser von 240.000 x 144.000 Licht­jah­ren, besitzt sie unge­fähr die dop­pel­te Grö­ße unse­res eige­nen Milch­stra­ßen­sys­tems. Die Gala­xie wird von einem klei­nen, aber sehr hel­len Kern und einer recht unge­wöhn­li­chen, asym­me­tri­schen und enge gewun­de­nen Spi­ral­struk­tur geprägt. Ein Spi­ral­arm ist beson­ders domi­nant und aus­ge­prägt und kreuzt die Gala­xien­schei­be in west­li­cher Rich­tung. Die­ser ist, im Gegen­satz zu den ande­ren Spi­ral­ar­men, deut­lich wei­ter ent­wi­ckelt und erscheint auf Fotos hel­ler. Der Spi­ral­arm ist am Anfang brei­ter und ver­jüngt sich anschlie­ßend zu einem lan­gen, dün­nen und ziem­lich gera­den Arm, nach einer hal­ben Umdre­hung um den Kern. Man ver­mu­tet, dass die Gala­xie in der Ver­gan­gen­heit mit ihrem Nach­barn, der ellip­ti­sche Zwerg­ga­la­xie NGC 770 (Hub­ble-Typ E3), die sich direkt süd­west­lich von NGC 772 befin­det, in gra­vi­ta­ti­ver Wech­sel­wir­kung stand. Die Begleit­ga­la­xie ist gra­vi­ta­tiv an NGC 772 gebun­den und rotiert retro­grad um die­se. Sie wird in eini­gen Mil­li­ar­den Jah­ren mit der Haupt­ga­la­xie ver­schmel­zen. Die bei­den Gala­xien wur­den aus die­sem Grund von dem ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men Hal­ton Arp zur Klas­se der Spi­ral­ga­la­xien, mit einem klei­nen Beglei­te­ter hoher Flä­chen­hel­lig­keit, beschrieben.

NGC772
NGC 772 im Stern­bild Wid­der – Auf­nah­me von Franz Klau­ser & Man­fred Wass­hu­ber, Quel­le: CCD-Gui­de, Astro­no­mi­scher Arbeits­kreis Salzkammergut

In dem ver­form­ten Spi­ral­arm fin­det man beson­ders zahl­rei­che jun­ge und mas­se­rei­che Stern­hau­fen die, auf­grund der Gezei­ten­wech­sel­wir­kung von NGC 770, durch einen so genann­ten Star­burst ent­stan­den sind. Auf lang belich­te­ten Auf­nah­men ist auch eine Art Mate­rieb­rü­cke nach­weis­bar, die in Rich­tung des nun wie­der 113.000 Licht­jah­re ent­fern­ten Beglei­ters zu zei­gen scheint. Ande­re Spi­ral­ar­me die­ser Gala­xie zei­gen dage­gen kei­ner­lei Anzei­chen von mas­si­ver Stern­ent­ste­hung. Aus­ge­präg­te Staub­bän­der aus inter­stel­la­rer Mate­rie, zwi­schen den Spi­ral­ar­men, prä­gen dort das Erschei­nungs­bild. Die Schei­be wird noch durch licht­schwä­che­re Struk­tu­ren, im Umfeld von NGC 772, geprägt. Auf tie­fen Auf­nah­men zeigt sich ein frag­men­tier­ter Bogen, der eben­falls auf die Wech­sel­wir­kung mit der Begleit­ga­la­xie zurück­zu­füh­ren ist. Die Ent­fer­nung des Bogens, vom Zen­trum der Gala­xie, beträgt mehr als 220.000 Licht­jah­re und reicht bis zum Rand der Schei­be. Des Wei­te­ren fehlt NGC 772 auch ein hel­ler, zen­tra­ler Bal­ken. Ande­re Spi­ral­ga­la­xien, wie die Andro­me­da­ga­la­xie (Mes­sier 31) oder unse­re eige­ne Milch­stra­ße, wei­sen mar­kan­te zen­tra­le Bal­ken in ihren Zen­tral­be­rei­chen auf. Dabei han­delt es sich um gro­ße, linea­re Struk­tu­ren, die aus Gas, Staub und unzäh­li­gen Ster­nen bestehen. Ohne die­sen Bal­ken wach­sen die Spi­ral­ar­me von NGC 772 direkt aus dem hel­len Zen­trum der Gala­xie heraus.

NGC 772 in einer Detail­auf­nah­me des Gemi­ni Obser­va­to­ri­ums auf Hawaii – Cre­dit: Inter­na­tio­nal Gemi­ni Observatory/NOIRLab/NSF/AURAImage, T.A. Rec­tor (Uni­ver­si­ty of Alas­ka Ancho­ra­ge), J. Mil­ler (Gemi­ni Observatory/NSF’s NOIR­Lab), M. Zama­ni & D. de Mar­tin CC BY 4.0, via Wiki­me­dia Commons

Zwei Super­no­vae (SN 2003hl & SN 2003iq) wur­den im Jahr 2003 gleich­zei­tig in der Gala­xie beob­ach­tet. Bei­de Super­no­vae erreich­ten eine Hel­lig­keit von 16 ½ Grö­ßen­klas­sen und gehör­ten zum Typ II. Sie wur­den durch den Kern­kol­laps und anschlie­ßen­der Explo­si­on eines mas­se­rei­chen Sterns von 40 bis 50 Son­nen­mas­sen ver­ur­sacht. NGC 772 ist außer­dem die Haupt­ga­la­xie einer klei­nen Grup­pe von Gala­xien, ähn­lich unse­rer Loka­len Gala­xien­grup­pe. Zu ihr gehö­ren neben NGC 770, noch PGC 7826 sowie PGC 7750.

Beobachtung

NGC 772 ist bereits mit einem 3 bis 4 Zoll gro­ßen Tele­skop als ova­ler und 2:1 elon­gier­ter Licht­fleck sicht­bar. Sie bil­det mit zwei wei­te­ren Ster­nen ein gleich­schenk­li­ges Drei­eck. Tele­sko­pe von 5 bis 6 Zoll Öff­nung und Ver­grö­ße­run­gen um 100-fach, zei­gen ein klei­nes, aus­ge­präg­tes aber schlecht defi­nier­tem Zen­trum, mit einem etwas dezen­tral sit­zen­den, stern­ar­ti­gen Kern. Der äuße­re Halo erscheint eher dif­fus, sehr schwach und geht all­mäh­lich in den Hin­ter­grund über. Mit 8 bis 10 Zoll Öff­nung und mitt­le­ren Ver­grö­ße­run­gen erscheint der Zen­tral­be­reich schon leicht gra­nu­liert und in süd­öst­li­cher bis nord­west­li­cher Rich­tung elon­giert. An der nord­west­li­chen Sei­te ist eine schwa­che Hel­lig­keits­spit­ze, mit einem dunk­lem Ein­schnitt, erkenn­bar. Die­ser Struk­tur scheint einen der Spi­ral­ar­me nach­zu­zeich­nen. Die Süd­ost­flan­ke der Gala­xien­schei­be ist abge­run­det. Mit indi­rek­tem Sehen ähnelt die Gala­xie einem „Apo­stroph“. Mit noch grö­ßer Öff­nung erscheint nun auch der Halo leicht gemot­telt. Der dün­ne und aus­ge­präg­te Spi­ral­arm besitzt nun eben­falls eine leich­te, unre­gel­mä­ßi­ge Tex­tur. Nur 3,5 Bogen­mi­nu­ten süd­west­lich des Kern befin­det sich der 12,9 mag hel­le Beglei­ter NGC 770, der unter einem dunk­len Land­him­mel bereits in Tele­sko­pen von 8 bis 10 Zoll Öff­nung als dif­fu­ses Stern­chen zu erken­nen ist.

Aufsuchkarte
Auf­such­kar­te für NGC 772 – erstellt mit SkytechX

Die Gala­xie ist am bes­ten in den Herbst- und Win­ter­mo­na­ten zu beob­ach­ten, wenn das Stern­bild Wid­der hoch am Him­mel steht. NGC 772 befin­det sich nur 1,5° ost­süd­öst­lich von Mes­ar­tim (Gam­ma Arie­tis), einem hüb­schen Dop­pel­stern der 3,5ten Grö­ßen­klas­se. Wenn wir Gam­ma Ari in die Bild­mit­te des Suchers ein­stel­len, sehen wir öst­lich die­ses Sterns eine auf­fäl­li­ge Drei­er­grup­pe aus Ster­nen der 9. Grö­ßen­klas­se. NGC 772 befin­det sich unge­fähr ein Grad süd­öst­lich die­ser Gruppe.

Auf­such­kar­te NGC 772 (85,1 KiB, 217 hits)

Steckbrief für NGC 772

Objekt­na­meNGC 772
Kata­log­be­zeich­nungUGC 1466, PGC 7525, ARP 78 
Eigen­na­meFidd­le­head Galaxy
TypGala­xie, Sb
Stern­bildWid­der (Aries)
Rekt­aszen­si­on (J2000.0)01h 59m 19,5s
Dekli­na­ti­on (J2000.0)+19° 00′ 27″
V Hel­lig­keit10,3 mag
Flä­chen­hel­lig­keit13,9 mag
Win­kel­aus­deh­nung7,2′ x 4,3′
Posi­ti­ons­win­kel130°
Abso­lu­te Helligkeit-22,080 mag
Durch­mes­ser220.000 Licht­jah­re
Ent­fer­nung114 Mil­lio­nen Lichtjahre
Beschrei­bungB,cL,R,gbM,r; H I 112;Several tight­ly coiled arms br on NW side;UGC 1466
Ent­de­ckerWil­helm Her­schel, 1785
Stern­at­lan­tenCam­bridge Star Atlas: Chart 2 & 8
Inter­stel­larum Deep Sky Atlas: Chart 50 & 51
Mill­en­ni­um Star Atlas: Charts 193–194 (Vol I) 
Pocket Sky Atlas: Chart 4
Sky Atlas 2000.0: Chart 10
Urano­me­tria 2nd Ed.: Chart 80

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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